Ärgertanz und „was ist wirklich“…

Nach einer Woche wunderbar aktiver Skiferien startete ich mit voller Energie in den Geschäftsalltag. Ich hatte am Morgen zu Hause eine Liste erstellt, wann es für mich ein guter Start in die Arbeitwoche ist und schon vor den Ferien eine Übersicht gemacht, wo die Prioritäten lagen. Ich nahm diese Liste beim Start zur Hand, führte ein erstes Gespräch und bearbeitete die Mails.
Am späteren Morgen erhielt ich eine Nachricht, in welcher es auch um meine Person ging und die mich im ersten Moment sehr betroffen machte – diese Betroffenheit entwickelte sich bald zu einem regelrechten Ärger! Wie sollte ich mit dem Ärger umgehen? Ich probierte erste Massnahmen, indem ich mir sagte „das hat nichts mit mir zu tun – ich bin nur Auslöser“. Ich konnte nicht sitzen bleiben, war aufgebracht und lief im Büro umher. Um etwas Abstand zu gewinnen, entschied ich mich, anstatt in der Firma zu essen, nach Hause zu gehen. Die Kinder waren bei den Grosseltern und meine Frau im Ausland, also hatte ich einen Raum für meine Verarbeitung. Ich fragte mich noch, wer oder was mich zuversichtlich stimmen konnte, um aus dem Ärger zu kommen und schrieb meiner Frau ein sms, in dem ich meine Gefühle äusserte.

Im Auto startete ich mit meinem „Ärgertanz“ und lies meinen Ärger in voller Blüte laut raus, versuchte mir selber dabei zuzuhören, zu erkennen, welches Bedürfnis nicht erfüllt war und welches Gefühl dieses nicht erfüllte Bedürfnis bei mir auslöste. Eine erste Bitte an mich selbst konnte ich schon bald formulieren. Während der Fahrt konnte ich ein bis zwei Durchläufe des Ärgertanzes machen. Zuhause angekommen, konnte ich das Bedürfnis nach Respekt/Vertrauen erkennen, was zu Gefühlen wie Traurigkeit und Enttäuschung führte. Ich bat mich selber, auf all mein Wissen und meine Haltung zu vertrauen und die Nachricht ganz genau zu prüfen – „Andy, bitte prüfe die Nachricht fokussiert und achtsam und in der Haltung der gewaltfreien lösungsfokussierten Kommunikation. Was beinhaltet die Nachricht wirklich“. Dies hat geholfen, dass sich mein Ärger körperlich spürbar abgebaut hat. Ich war bereit, am Nachmittag gelöst an die Arbeit zu gehen.

Mit dem Ansatz: „was ist wirklich“ und ohne im Ärger zu bleiben, konnte ich schnell für mich erkennen, dass die Nachricht zwar einen bestimmten Inhalt hatte, der von jemandem erstellt wurde. Es war einfach dieser Inhalt, mehr nicht. Ich konnte die Nachricht somit gut und konzentriert verarbeiten und mit innerlicher Ruhe direkt eigene Massnahmen treffen, welche mir das Bedürfnis nach Sicherheit und Klarheit sowie Vertrauen in mich selbst gaben. Ich konnte spüren, wie mir dies weiter die Energie zurück gab, welche ich am Morgen hatte – oder sogar mehr.

Ich war beeindruckt, wie rasch ich diese Nachricht und meinen Ärger für mich verarbeiten konnte. Der zwar nur kurze mündliche Nähe und Richtung gebende Austausch über Mittag mit meiner Frau Astrid gab mir zusätzliche Zuversicht und Raum (ganz nach dem Motto: wer oder was gibt dir Zuversicht deiner erwünschten Zukunft näher zu kommen? Und was noch? -> Lösungsfokussierung). Weiter half mir dabei die Haltung, dass jede/r von uns einen guten Grund für ihre/seine Handlungen hat und ich damit nicht einverstanden sein muss. Für meine Gefühle und Bedürfnisse bin ich verantwortlich, das heisst, wenn ich im Ärger bin, hat dies nur mit mir zu tun, auch wenn dieser von etwas anderem ausgelöst wird. Ich bin im Ärger nicht gleich fokussiert unterwegs wie ohne. Am Abend konnte ich meine Liste „abhaken“ und war mit mir sehr zufrieden.

Wie gehst du mit deinem Ärger um? Erkennst du auch „was wirklich ist“…? Falls du Details zum Ärgertanz, zu „was ist wirklich“, zur Haltung hinter gewaltfreier Kommunikation und Lösungsfokussierung oder zu Tools erfahren willst, melde dich bei uns. Es funktioniert in allen Lebensbereichen! 🙂

 

 

Wertvolle Denkräume

Vor einiger Zeit bekam ich von einer lieben Bekannten einen Buchtipp: Nancy Kline – Time to think. Ich kaufte mir das Buch und las es, total begeistert vom Ansatz. Nancy Kline zeigt Möglichkeiten auf, wie wir andere dabei unterstützen können, eigenständig zu denken. Dank einer experimentierfreudigen Kollegin hatte ich bald schon die Möglichkeit, den Denkraum auszuprobieren und seither schenken wir uns gegenseitig alle paar Wochen eine Stunde Denkraum: eine von uns hört aufmerksam und mit viel Wertschätzung zu, stellt ganz wenige Fragen, die andere erhält die unvergleichlich wertvolle Möglichkeit, ihren Gedanken freien Lauf zu lassen und so im eigenen Denken die eigenen Lösungsmöglichkeiten zu erforschen und neue Erkenntnisse an die Oberfläche zu befördern.

Gerade heute hatte ich wieder die Möglichkeit, für meine Kollegin den Denkraum aufzumachen und zu halten und es war auch heute wieder faszinierend, wie viel Tiefe, wie viel Einsicht, wie viele neue Gedanken sie entwickelte. Vor einigen Monaten hat sie mir einen Denkraum angeboten und ich wollte damals über ein Thema nachdenken, das mich seit Jahren beschäftigt und bei dem ich immer bis zu einem bestimmten Punkt kam, aber nicht weiter. Nach einiger Zeit und einer Schlüsselfrage hatte ich glasklar vor mir, wie ich dieses Thema weiterbringen kann. Es fühlte sich unglaublich an, ein dicker Knoten, den ich geöffnet hatte, was in mir ein unglaubliches Gefühl von Freiraum und Erleichterung auslöste. Und das alles nur, weil ich die Möglichkeit gehabt habe, eigenständig und ohne Zeitdruck zu denken und in meinen Gedanken eine Ebene tiefer zu gehen – in einem sehr vertrauensvollen, wertschätzenden und aufmerksamen Rahmen.

Bist du interessiert, deinen Denkraum zu öffnen und dir etwas Zeit zum Nachdenken zu nehmen? Wir begleiten dich sehr gerne in deinem Denkraum und schenken dir unsere ungeteilte Aufmerksamkeit, Wertschätzung und ab und zu eine Frage. Melde dich bei uns! info@focus-mensch.ch

Lösungsfokussierung im Geschäftsalltag

Letzte Woche kam eine Mitarbeiterin zu mir ins Büro und stellte mir eine Frage: „Ich hatte letzten Monat Überstunden gemacht und diese nicht eingetragen. Wie soll ich vorgehen?“ Ich fragte sie im Gegenzug, wie sie es denn lösen würde. Sie meinte: „Ich würde es in diesem aktuellen Monat eintragen“. Ich zeigte ihr, dass dies für mich eine gute Lösung ist und fragte, an was dies denn zu erkennen sei, dass diese Stunden von letztem Monat waren. Sie sagte: „Ich würde einfach eine Tagesbemerkung machen, damit mein Chef dies sieht“. Sie lachte und ich fragte ob Sie noch etwas zum Thema benötige, was sie verneinte.

Ich fragte Sie dann wie es mit ihrer Arbeitszufriedenheit aussieht auf einer Skala von 1 – 10. Eine 1 wäre absolut unmotiviert und absolut unzufrieden und 10 wäre super mega zufrieden, alles passt perfekt. Sie sagte sie sehe sich bei etwa 4-5 Punkten. Ich fragte sie, was es ausmacht neben einer 4 auch bei einer 5 zu sein. Sie erzählte verschiedene Punkte, welche eine 5 ausmachen. Ich fragte sie: „Nehmen wir an, du bist auf einer 6, was wäre dann anders oder was würdest du anders tun?“. Sie solle sich mal einen Meter weiter zur Türe bewegen, da sei die 6. Sie ging an einen neuen Platz in meinem Büro. Sie erzählte mir, sie würde versuchen mehr von dem und dem zu tun und hatte doch einige Punkte gefunden. Zu einem Punkt sagte sie, dieser sei ihr wichtig für ihre Arbeitszufriedenheit. Ich fragte sie: „An was wirst Du in den nächsten 72 Stunden merken, dass du tatsächlich unterwegs zu einer 6 bist?“. Sie sagte mir ein bis zwei Ansätze und Punkte, welche sie direkt angehen möchte. Ich bedankte mich und sie bedankte sich für das Gespräch. Ich zeigte ihr auf, dass ich selbst dankbar und optimistisch bin.

Dieses Gespräch kam spontan zu Stande, war nicht geplant und dauerte gerade mal ungefähr 10 Minuten. Ich bin mir sicher,   dass es hilfreich für die Mitarbeiterin war. Meine Beobachtungen der Ressourcen meines Gegenübers und dem Erkennen das sie Expertin ist und die Lösung(en) kennt, war und ist sehr hilfreich für mich. Ebenso ist dies sehr wichtig und wirksam für unsere Organisation, welche Mitarbeitende hat, welche ihre Lösungen kennen und finden!

 

Zeichen des Fortschritts

Die Zeit vor den Sommerferien ist bei uns meistens geprägt von sehr vielen Terminen, Projekten, die wir noch weiterbringen möchten und Anlässen – sei es als Familie oder für die Kinder von der Schule aus. Da gibt es kleinere Dinge am Haus, die erledigt sein wollen, Treffen mit Familie oder Freunden, Musikschulkonzerte (inklusive der dazugehörigen Sonderproben), ein Kühlschrank, der plötzlich nicht mehr kühlt, Geburtstage, für die ein Geschenk organisiert sein will, die definitive Organisation der Ferien und Hüetis für die Kinder während den Schulferien und noch so einiges mehr – (fast) alles schöne Dinge, nur eben einfach etwas viel auf einmal. Das alles irgendwie im Griff zu haben, ist zuweilen sehr anspruchsvoll und ich bekomme leicht das Gefühl, dass viel zu viele Bälle in der Luft sind und ich demnächst wohl einen fallen lassen muss.

Kürzlich ging es mir mal wieder so. Ich hatte so viele Themen im Kopf und wusste vor lauter „to do’s“ nicht mehr, was ich als nächstes anpacken sollte. Also setzte ich mich hin, nahm meine schönen Stifte und malte ein „to do Mindmap“ – schön gestaltet und mit vielen Farben. Als ich alles notiert hatte, überlegte ich mir, wie ich diese Übersicht nennen sollte. „to do’s“ war mir zu gewichtig, denn das erinnerte mich daran, was ich alles tun „musste“, „Pendenzen“ war mir zu geschäftlich. Ich überlegte mir, wie es sich anfühlen würde, wenn ich einzelne Themen auf meinem Mindmap abstreichen könnte und da hatte ich den Titel: „ZEICHEN DES FORTSCHRITTS“. Wenn nämlich Dinge erledigt waren (und das gilt gerade für die kleinen Dinge), dann würden das für mich Zeichen des Fortschritts sein, dass ich weiterkomme, dass ich Dinge anpacke, dass wir zufrieden damit sein können, was wir erledigt haben.

Wie oft schauen wir auf Dinge, die noch nicht so funktionieren, wie wir uns das vorstellen? Und fast immer entsteht dabei ein ungutes Gefühl. Wenn wir aber darauf schauen, was funktioniert und was wir bereits erreicht haben, dann gibt diese neue Perspektive ein gutes Gefühl. Letztlich ist es wohl die Frage, ob wir das Glas als halb leer oder halb voll sehen. Wenn wir das Glas halb voll sehen, dann anerkennen wir, was wir bis jetzt schon erreicht haben. Genau diese Anerkennung gibt wieder Energie für die nächsten Schritte, die nächsten Zeichen des Fortschritts, die wir dann wieder anerkennen können.

Um diese Perspektive im Alltag zu leben, helfen mir so kleine Tricks, wie ein Mindmap mit dem richtigen Titel. Und so hängt seit ein paar Wochen unser „Zeichen des Fortschritts“-Mindmap in der Küche, das immer mal wieder um den einen oder anderen Punkt ergänzt wird. Spannend dabei ist, dass ich mich häufig davor stelle und mir überlege, was ich als nächstes anpacke – und dann mache ich das viel schneller, als vorher. Und jedes Mal wenn ich hinter einen Punkt einen Haken oder ein Smiley setze, fühle ich förmlich, wie ich weiter gekommen bin. Übrigens habe ich heute das alte Mindmap durch ein neues, aktuelleres ersetzt, denn ich bin in den letzten Wochen sehr weit gekommen :-).

Wie erkennst du deine Zeichen des Fortschritts? Lass es uns wissen, wir sind neugierig darauf!

Finde heraus, was dein Bedürfnis ist

In der Gewaltfreien Kommunikation ist es essentiell, die eigenen Bedürfnisse zu kennen und mitteilen zu können. Ein Blogbeitrag von 7Mind (übrigens eine sehr empfehlenswerte App für Meditationseinsteiger) hat mich zu einigen Überlegungen dazu bewogen und eine enge Verbindung zu lösungsorientiertem Verhalten finden lassen, welche ich mit Euch teilen möchte.

Wenn ich mir etwas vornehme, kann es hilfreich sein, dass ich mich frage, wozu ich das denn möchte. Was also ist mein Bedürfnis dahinter (oder wie es 7Mind nennt: was ist mein Motto)? Was möchte ich erreichen, wenn ich mehr Sport mache, eine Schulung plane oder eine neue Strategie definiere? Mir klar zu werden, was mein Bedürfnis ist, ist für mein ‚Selbst-Management‘ und auch in der Kommunikation mit Kindern, Partner, Mitarbeitenden oder sogar mit Gruppen hilfreich. So kann ich mir folgende Situationen vorstellen:

Meine Mitarbeiterin möchte gerne eine Weiterbildung machen. Um gemeinsam herauszufinden, was ihr Bedürfnis dahinter ist, könnte ich sie Folgendes fragen: Wenn du diese Weiterbildung machst, was wird dann anders sein? Woran wirst du merken, dass es die richtige Weiterbildung war? Woran werden es unsere Kunden merken? Woran wird es das Team merken? So kann ich die Diskussion von einem konkreten Angebot lösen und mit ihr gemeinsam sicherstellen, dass wir die „richtige“ Lösung finden.

An einem sonnigen Sonntag suchen wir als Familie die „richtige“ Freizeitbeschäftigung, die Vorschläge reichen von Sport, über Fahrradtour bis zu Kinobesuch. Anstatt Gewinner und Verlierer zu erzeugen können wir uns fragen, woran wir denn merken werden, dass dieser Sonntag für uns ein wundervoller Familientag war. Was ist uns wichtig? Welche Elemente sollten unbedingt enthalten sein? Und so haben wir schon öfters Lösungen gefunden, mit denen alle leben konnten und das individuelle „Sonntagsbedürfnis“ gedeckt wurde.

Im Team bereiten wir einen Workshop vor und haben alle fixen Rahmenbedingungen abgesteckt. Als nächstes checken wir, woran die einzelnen Teammitglieder erkennen würden, dass der Workshop für sie gut investierte Zeit war – und schon sind die Bedürfnisse klar und wir können Ideen generieren, wie wir den Workshop konkret gestalten.

Und so gibt es wohl viele Situationen, in denen es hilfreich ist, zuerst die Bedürfnisse zu klären, bevor wir uns auf Lösungssuche machen. Das öffnet viel Raum und ermöglicht es, dass alle Beteiligten gehört werden.

Welche Erfahrungen machst du damit? Lass es uns wissen!

Schau auf das, was funktioniert

Kennt Ihr das? Ihr habt seit langem wiedermal eine Wochenende zu zweit und den ersten Abend verbringt Ihr damit, Eure Rabattmarken-Büchlein zu leeren. Es gibt Diskussionen, Auseinandersetzungen und die wertvolle Zeit geht drauf mit Analysen darüber, was nicht funktioniert in der Beziehung, Kindererziehung, Berufstätigkeit oder ganz allgemein „im Leben“. Ja, solche Wochenenden kannten wir auch und waren auf der Suche, was wir anders machen könnten.

Vor Kurzem hatten wir dann wiedermal die Möglichkeit, Zeit zu zweit zu verbringen und es mal anders zu versuchen. Schon auf dem Weg in die Berge erstellten wir eine imaginäre Liste, woran wir erkennen werden, dass dieses Wochenende für uns wertvoll und genau so wird, wie wir uns das vorstellen. Wir kamen auf stattliche 25 Punkte und gleichzeitig gab uns das die Möglichkeit, die eigenen Bedürfnisse zu nennen und abzugleichen.

Gut angekommen gönnten wir uns ein Apéro und machten unsere nächste Liste: Highlights unserer Beziehung seit ihrem Anfang – WOW, da kamen so viele Dinge drauf, dass wir ganz überwältigt und dankbar waren.

Beim herrlichen Nachtessen fragten wir uns dann gegenseitig, was wir an uns schätzen und lieben. Und da gabs dann Tränen – allerdings vor Rührung und Freude.

Unser Wochenende wurde wunderschön und genau so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Gestärkt kehrten wir in den Alltag zurück und seither sind Listen ein fester Bestandteil davon, weil wir damit dem Funktionierenden das Gewicht geben, das es auch verdient.

Habt Ihr Lust, das auszuprobieren? Macht einfach täglich vor dem Einschlafen eine kleine Liste mit Euren Highlights des Tages – grosse Hightlights und kleine Highlights – und lasst uns wissen, was es mit Euch macht! Viel Spass dabei! Ja genau mit unseren Kindern machen wir dies auch, wunderbare Momente.

Jeder ist Experte, Expertin in seiner Sache…

In der Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigung kann ich mich an viele Erlebnisse erinnern, wo Begleitpersonen, SozialpädagogInnen meinten die Experten in der Sache anderer Menschen zu sein oder sein zu müssen anstatt die Menschen mit Beeinträchtigung selbst.

Ich stand einmal bei einer Person, welche ich begleitete in der Zimmertüre um nachzufragen, wie es mit der Darmfunktion – nach einer sehr starken Verstopfung – ,aussah‘. Die Person erzählte mir von ihren Problemen, in allen möglichen Farben und Ausführungsmöglichkeiten. Zuerst würdigte ich die Situation und die Probleme meiner Klientel mit meiner achtsamen Hörbereitschaft, ich wollte jedoch nicht alles verstehen. Dann stellte ich der Person folgende Frage: ‚Nehmen wir an, Du stehst nach einer ruhigen und erholsamen Nacht am kommenden Morgen auf und Dein Darm funktioniert so einwandfrei – besser als in deinen kühnsten Träumen, was ist dann anders oder was machst Du dann anders?‘

Die Person nannte Dinge wie: ‚Ja, dann fühle ich mich sehr gut und wieder gesund. Dann gehe ich zur Arbeit und geniesse meine Freizeit wieder voll und ganz. Dann bin ich zufrieden und glücklich. Dann trinke ich mehr. Ich esse mehr Gemüse und schaue generell mehr auf eine gesunde Ernährung. Ich bewege mich mehr als jetzt. Ich reagiere früher, wenn ich merke, dass etwas nicht stimmt. Ich informiere mich über die Anwendung von unterstützenden Medikamenten.‘

Es war eine Reihe von möglichen Lösungen, welche direkt von der Person kamen und nicht von mir. Meine Aufgabe bestand ’nur‘ noch darin zu schauen, was denn ein kleiner Schritt von der Person in Richtung dieser Lösungen war, damit diese näher zu ihren Lösungen kam.

Ich bin überzeugt, dass der Lösungsfokussierte Ansatz auch die UN-Behindertenrechtskonvention voll und ganz unterstützt, welche Menschen mit Beeinträchtigung als Experten in ihrer Sache sieht. Natürlich gilt dies für alle Menschen, da jede/r Experte/in in seiner/ihrer Angelegenheit ist und die Lösung bereits in sich trägt.

Welche Erlebnisse und Erfahrungen habt ihr mit ExpertInnen gemacht?

Wenn der Sohn Nein zu seinem Vater sagt…

Wir waren zu Besuch bei Freunden. Als der Sohn nach einem Kartenspiel mit unserer Tochter beim Clubtisch stehen blieb und einen seiner nackten Füsse auf den Club stellte, sah dies sein Vater offensichtlich und rief ihm zu, er solle doch bitte seinen Fuss vom Tisch nehmen. Der Sohn sagte für mehrere Sekunden nichts und fügte dann ein ‚NEIN‘ an. Sein Vater veränderte seine Stimmlage und wurde auch etwas lauter als vorher. Er sagte zu seinem Sohn: ‚Solch eine Antwort will ich von Dir nicht haben‘ und machte ihm seinen Standpunkt und mögliche Konsequenzen klar, wenn er nicht, dann… Der Sohn nahm seinen Fuss vom Tisch und verliess die Wohnstube.

Als der Sohn einfach ‚NEIN‘ sagte und ich die Antwort des Vaters darauf hörte, spürte ich eine direkte Reaktion im Körper und ich überlegte mir, wie ich denn in dieser Situation reagiert hätte. Ich dachte mir, dass in der Gewaltfreien Kommunikation gerade das ‚NEIN‘ die Aufforderung ist herauszufinden, was das Bedürfnis der NEIN-sagenden Person eben gerade ist. Ein NEIN als Aufforderung weiter zu machen. Die Aussage des Vaters kam vermutlich aufgrund eines unerfüllten Bedürfnisses, welches der Sohn jedoch in dieser Form der Kommunikation leider so nicht erfahren hat. Somit haben beide ihre Beobachtungen, Bedürfnisse und Gefühle, welche sie jedoch voneinander nicht wirklich kennen und dies könnte zu einem späteren Zeitpunkt wieder zum ‚aktuellen‘ Thema werden, da es nicht aufgelöst sein könnte.

Was wären hier mögliche Ansätze gemäss GfK (‚ehrlich kommunizieren‘)?

Der Vater hätte dem Sohn seine genaue Beobachtung schildern können, dass er sieht, wie er seinen nackten Fuss, zwar nur mit den Zehen, auf dem Clubtisch hat. Er hätte sein Gefühl benennen können, beispielsweise – ich bin unsicher oder irritiert, vielleicht sogar ärgerlich. Weil er ein Bedürfnis nach Ordnung, Sauberkeit oder Anstand hat und dann seinem Sohn eine Bitte stellt. Beispielsweise, ob der Sohn bitte seine Füsse runternehmen kann. Falls der Sohn ein ‚Nein‘ zur Antwort gibt, wäre die Bitte anzupassen und die neue auszusprechen. So könnte er eine Bitte zum Bedürfnis nach Klarheit stellen: „Könntest Du mir bitte sagen, was Du gerade brauchst oder was du tun könntest, anstatt die Füsse auf den Tisch zu legen?“ Möglicherweise könnte der Vater auch sagen, ob dem Sohn 30 Sekunden die Füsse auf dem Tisch halten genug wären und er sie danach bitte runternehmen könnte, da er ein Bedürfnis nach Frieden und Harmonie hat… (und so weiter und so fort…). Wichtig ist auch die Verbindung, welche zwischen den Zweien bestehen muss, dazu jedoch mehr in möglichen weiteren Beispielen.

Welche positiven Erlebnisse mit NEIN-Sagen habt Ihr erlebt?